Über den volkswirtschaftlichen Sachverstand meiner Kritiker

Von einigen Rezipienten meiner Griechenlandbeiträge wurde mein volkswirtschaftlicher Sachverstand recht spöttisch in Zweifel gezogen.

Dazu folgendes:

1) Es ist eine sehr übliche, aber nichtsdestotrotz unstatthafte und wenig produktive Methode, den Vertreter einer ungeliebten Meinung als Person unglaubwürdig zu machen und dabei auf jegliches Gegenargument, ja, überhaupt auf eine inhaltliche Debatte zu verzichten. Dieses Getue, als müsse man ein hochspezialisierter Ökonomieexperte sein, um einige offensichtliche Tatsachen richtig einzuschätzen, ist dabei lediglich der durchsichtige Versuch, Sprechverbote an Kritiker zu erteilen und Sprecherlaubnisse auf einen Kreis vermeintlicher „Experten“ zu beschränken. Ich stelle fest, dass diese Methode bei den Tsipras-Fans in Griechenland und weltweit derzeit schwer in Mode gekommen ist. Sie entziehen sich einer inhaltlichen Auseinandersetzung.

2) Dazu kommt, dass meine bisherige Argumentation im wesentlich nicht ökonomisch ist, sondern politisch. Wenn Tsipras etwa im Auftrage der EU das Streikrecht einschränken wird und die Kampfpolizei gegen die eigene Basis schickt, verschlechtern sich die Kampfbedingungen erheblich und das Politische wird unmittelbar ökonomisch – während eine Politik der offenen Revolte gegen die Herren der Eurozone Kräfte der Selbstorganisation des Volkes freigesetzt hätte, die richtig eingesetzt und koordiniert eine erhebliche ökonomische Wirkung entfalten hätten können, etwa indem sie durch solidarische Praktiken einen wachsenden Teil des Warenaustauschs dem Geldkreislauf entziehen.

3) Üblicherweise denkt deshalb jeder halbwegs geschulte Marxist das Politische und das Ökonomische zusammen. Die Tsipras-Fans dagegen verschanzen sich in der Festung der Ökonomie, die zudem noch eine Sandburg ist. Sie verharren nämlich komplett in einer Logik des „kleineren wirtschaftlichen Übels“.

Um nun zu ihrer abstrusen Ansicht zu kommen, die totale Kapitulation vor der Terrorökonomie der EU und der griechischen Oligarchen sei dieses kleinere Übel, stellen sie einer völlig verharmlosenden Darstellung des Memorandums ein Grexit-Weltuntergangsszenario entgegen, dem es an jeder empirischen Grundlage fehlt.

4) Gleichzeitig machen die Herrschaften „Experten“ vor sämtlichen Denkansätzen der kritischen Geldtheorie komplett dicht. Sie ignorieren, dass die Zirkulationsgesetze des Kapitals heutzutage radikal verändert sind: „because money is managed!“ (Costas Lapavitsas) Geld ist zu einer gesellschaftspolitischen Waffe geworden, die im Wesentlichen nicht mehr ökonomischen Gesetzen, sondern den politischen Willensentscheidungen der Herrschenden folgt.

Nachdem aber diese ganze Debatte für die Tsipras-Fans ebenso wenig existiert wie sie einen David Graeber oder Michael Hudson oder einen Éric Toussaint zur Kenntnis nehmen, ist es kein Wunder, dass sie sich einen Grexit nur als Katastrophe vorstellen können. Der Mangel an gesellschaftlicher Vorstellungskraft, der sich darin außerdem beweist, ist beklagenswert. Wer sich aber eine andere Welt gar nicht vorzustellen vermag, wird den Rahmen (klein-)bürgerlichen Denkens nie verlassen können.

5) Anders als für das von der griechischen Oligarchenpresse bis hin zu Thomas Seibert und Jens Berger unisono kolportierte Grexit-Horrorszenario fehlt für die Horror-Maßnahmen des Memorandums die empirische Grundlage nicht. Die Vertragsinhalte liegen vor. Wir wissen, was geschehen wird, wenn das Memorandum umgesetzt wird.

Ein Beipsiel: Griechenland soll seine 14 profitablen Flughäfen an die deutsche Staatstochter Fraport verkaufen müssen – für weniger als 1,4 Mrd. Euro. Dieses Geld erhält aber nicht der griechische Staat. Damit werden „Schulden getilgt“. Die mehr als 30 defizitären Flughäfen muss Hellas dagegen in Staatsbesitz behalten und deren Defizite künftig ausgleichen.

Was bitte ist daran so schwer zu verstehen, dass die Summe solcher Eingriffe volkswirtschaftlich weitaus schwerer wiegt, als diese von den Tsipras-Fans gefeierten, einmaligen 34 Mrd. Euro aus einem sogenannten „Investitionsfonds“ der EU, die noch dazu keineswegs der große Verhandlungserfolg sind, als der sie von den Tsipras-Fans verkauft werden: denn diese 34 Mrd. standen vorher schon fest.

6) In der Kritik an meiner Person schwingt mit, dass dieser „schrille Künstler“ über das trockene, gelehrige Fach der Ökonomie besser das Maul halten sollte. Dazu eines: ich habe meinen Marx gelesen und mich in den letzten 25 Jahren geistig mit vielem beschäftigt, auch mit ökonomischer Theorie. In der Welt der angewandetn Ökonomie beweise ich mich seit sieben Jahren erfolgreich als Leiter einer komplexen wirtschaftlichen Unternehmung.

Ich behaupte damit nicht, der größte Wirtschaftsexperte zu sein, der auf Erden wandelt. Wenn allerdings der Expertenstatus meiner Kritiker darin besteht, erfolgreiche Entschuldungsprozesse in Argentinien, Ecuador oder Island aus der Welt des Tatsächlichen ex cathedra in das Reich der Unmöglichkeiten zu verweisen und gleichzeitig die für jeden Keynesianer und erst recht für jeden Marxisten offenkundige Tatsache zu ignorieren, dass dieses Memorandum mit Ansage zum „größten makro-ökonimischen Desaster aller Zeiten“ führen wird (Varoufakis)

– dann möchte ich Euren volkswirtschaftlichen Sachverstand nicht geschenkt haben!

2 Kommentare

  1. michael olpp · Juli 25, 2015

    damit offenbart sich der prinz auch als gekränkter narzist…ähnlich wie seine lächerlichen mitstreiter von kenfm…

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    • prinzchaos · Juli 31, 2015

      Ja, ich war sauer über diese Art der Kritik.
      Ist das im politischen Diskurs verboten?
      Und ist Deine Ebene der Kritik: „gekränkter Narzissmus / Lächerlichkeit“ etwa inhaltlich?

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